Autogenes Training

Das autogene Training (von gr. αὐτό ? selbst und γεννάω ? erzeugen) ist eine auf Autosuggestion basierende Entspannungstechnik. Es wurde vom Berliner Psychiater Johannes Heinrich Schultz aus der Hypnose entwickelt, 1926 erstmals vorgestellt und 1932 in seinem Buch Das autogene Training publiziert.Heute ist das autogene Training eine weit verbreitete und (z.B. in Österreich auch gesetzlich) anerkannte Psychotherapiemetho

Die Methode

Die ursprüngliche zur Psychotherapie erdachte Methode wird heute oft von Gesunden angewendet zur Erhöhung der Lebensqualität, zur Besserung sportlicher Leistungen, des Lernens, zur Verbesserung der Managementfähigkeiten usw. Sie entstand aus Beobachtungen, die Schultz bei der Hypnoseforschung machte. Schultz nannte sein Verfahren »konzentrative Selbstentspannung«, weil die Entspannung der Muskulatur die Grundlage seiner Psychotherapiemethode ist. Die Ruhe entsteht Schultz zufolge durch die Muskelentspannung und die dem Gehirn mitgeteilte Meldung: ?in der Peripherie herrscht Ruhe?. Man kann also auch von einer Körpertherapie sprechen, weil der Beginn und die Grundlage die zuerst körperlichen Veränderungen der Muskel- und Gefäßspannung sind. Grundsätzlich ist auch die Bezeichnung »Selbsthypnose« richtig, denn beim autogenen Training versetzt sich der Übende durch Autosuggestion selbst in den »umgeschalteten« Zustand. Unter Umschaltung versteht Schultz das Schalten vom normalen Wachzustand zu einem veränderten, hypnotischen Bewusstseinszustand. Diese Umschaltung muss ? außer vor dem Schlafengehen ? immer ganz exakt zurückgenommen werden.

J.H. Schultz hat mit den Vorarbeiten zum autogenen Training vor dem Ersten Weltkrieg begonnen und 1926 die erste Arbeit über die »autogenen Organübungen« veröffentlicht.

Stufen und Anwendungsbereiche

In der Praxis wird vorwiegend die Grundstufe angewendet, die auch psychotherapeutisch wirksam ist. Angebotene Ausbildungen dauern etwa 1600-1800 Stunden. Angewendet wird das autogene Training heute vorwiegend im deutschsprachigen Raum, in Frankreich, Italien, Großbritannien, und in anderen Ländern bis nach Russland.

Anwendungsbereiche des autogenen Trainings sind für den Gesunden vor allem der Sport, Managerschulung, Vorbeugung des Burnout Syndroms, Lernprobleme usw.

Medizinische Indikationen für das autogene Training sind vorwiegend Neurosen und psychosomatische Erkrankungen, von der Flug- und Platzangst bis zum Magengeschwür und der Zusatztherapie bei Krebserkrankungen.

Die Grundstufe - früher Unterstufe genannt - wendet sich an das vegetative Nervensystem, die Oberstufe an das Unbewusste. In einer Mittelstufe kann mit der so genannten formelhaften Vorsatzbildung das Verhalten beeinflusst werden.

Die Grundstufe besteht aus sechs Übungen:

  • 1. Erleben der Schwere
  • 2. Erleben der Wärme
  • 3. Herzregulierung
  • 4. Atmungsregulierung
  • 5. Bauchwärme
  • 6. Stirnkühlung

Wesentlich ist, dass alle diese Erlebnisse »autogen« bleiben, also grundsätzlich jeder sein eigenes Erleben hat. Etwa 65 % erleben zum Beispiel die Schwerevorstellung wenigstens anfangs auch als Gefühl der Schwere.

In der Mittelstufe kann man zum Beispiel meist eine gute Beruhigung erzielen, wenn man die formelhafte Vorsatzbildung: ?ich bleibe ruhig und gelassen? verwendet.

Die Oberstufe, schon von Schultz psychoanalytisch konzipiert, wird in verschiedenen Formen als Therapie angewendet, von der völlig formelfreien Methode von Hartmut Kraft bis zur analytischen Oberstufe von H. Wallnöfer, die gezielt psychoanalytische Techniken anwendet. Eine Vorstufe zur analytischen Oberstufe ist das ?Gestalten vor und nach dem Autogenen Training?, mit dem der Übergang zum psychoanalytischen Arbeiten erleichtert werden kann.

Entsprechend der Verschiedenheit der Oberstufenmethoden gibt es auch eine unterschiedliche Zahl von Übungen. I.H. Schultz, G. Krapf, Wolfgang Luthe, K.R. Rosa, Klaus Thomas und H. Wallnöfer verwenden 7-9 Formeln.

Übungen der Grundstufe

Das autogene Training wird meistens in Gruppen-, seltener in Einzelsitzungen, unter Anleitung eines Arztes, Psychologen oder eines sonst Fachkundigen (siehe oben) innerhalb von 6-8 Wochen erlernt. Im Selbststudium kann man die Formeln des autogenen Trainings erlernen aber nicht das autogene Training, da dazu der Trainer unerlässlich ist. Während der Übung soll es für den Trainierenden immer bequem und möglichst angenehm sein. Man sollte wenigstens einmal täglich liegend und einmal täglich sitzend trainieren. Die möglichen Haltungen sind:

  • 1. Droschkenkutscherhaltung
  • 2. Sitzhaltung auf einem Stuhl
  • 3. Sitzhaltung mit Armlehnen
  • 4. Sitzhaltung mit Armlehnen und Kopfauflage
  • 5. Liegehaltung
  • 6. Schreibtischhaltung

Die Übungen im Einzelnen

Geübt wird möglichst drei Mal täglich. Der Übende soll sich bei den Übungen grundsätzlich wohl fühlen, eine angenehme Stellung einnehmen, kann gegebenenfalls seine Haltung auch verändern. Geübt soll wenigstens einmal täglich im Liegen und einmal täglich im Sitzen werden. Wie der Übende sich den Inhalt der Formeln am besten vorstellt, muss individuell erlernt werden. Wichtig ist, dass die Formeln immer im gleichen Wortlaut benützt werden, weil es sonst zu keiner Konditionierung kommen kann.

Schwereübung

I.H. Schultz: "Ist der Aufgabensatz ?ich bin ganz ruhig? in entsprechender Weise verstanden, so wird er nicht etwa geübt, sondern wir geben unseren Versuchspersonen als erste Übungsaufgabe die Formel: ?der Arm ist ganz schwer?" (Referenz Schultz, I.H.: Das autogene Training, 13. Auflage, Seite 24). Die erste Übungsformel lautet daher, da man auch den Arm bezeichnet: "Der rechte Arm ist ganz schwer". Dann werden beide Arme als schwer geübt. Die Verbreitung der Schwere auf den ganzen Körper (oder was immer auf die Schwereformel empfunden wird) wird dann nicht etwa geübt sondern soll allmählich von selbst kommen: die Generalisierung.

Nach ungefähr 5-7 Mal (ohne zu zählen) "plastischem" Vorstellen einer Formel kommt - bei allen Formeln - einmal dazwischen als »Zielvorstellung« die Ruheformel: "ich bin ganz ruhig".

Wärmeübung

"Beide Arme sind ganz warm". Meist werden dann beide Übungen zusammengezogen zu einer bleibenden ersten Übung: "Beide Arme sind ganz schwer und ganz warm".

Herzübung

Wenn nicht medizinische Gründe eine andere Formel verlangen, wird als nächstes das Herz angesprochen: "Das Herz schlägt ruhig und kräftig".

Atemübung

Das Ziel: die Steuerung der Atmung den Lebensnerven zu überlassen. Die Formel für die ersten Wochen lautet: Die Atmung ist ruhig und gleichmäßig. Später: "Es atmet mich".

Auch hier kann es medizinisch notwendig sein eine andere Formel zu benützen.

Bauchwärme

Die Originalformel lautet: "Das Sonnengeflecht ist strömend warm." Sie kann durch "Der Bauch ist strömend warm." ersetzt werden.

Stirnkühle

Sozusagen um einen klaren Kopf zu behalten, wird die Stirn Formel eingesetzt: "Die Stirn ist angenehm kühl". Übende die zu Migräne oder anderen Kopfschmerzen neigen, müssen mit dem Arzt die Stirnformel besprechen oder können einfach die Ausweichformel "Der Kopf ist frei und leicht." verwenden.

Das Beenden

Wie beim Auto, bei dem die Bremse wichtiger ist als der Gashebel, so ist das Erlernen des so genannten »Zurücknehmens« wichtiger als irgendwelche Trainingseffekte. Das Zurücknehmen läuft folgendermaßen ab: Zuerst werden die Fäuste geballt und dann schlägt man mit den fest geballten Fäusten mit kräftiger Muskelanstrengung zu den Schultern und lässt die Arme dann locker in die Ausgangslage fallen. Dies geschieht drei- oder fünfmal. Beim letzten Mal lässt man die geballten Fäuste oben, macht eine kurze Pause, atmet ruckartig tief ein und reißt dann gleichzeitig die Augen und die Fäuste auf und gibt einen kurzen Laut von sich. Am besten kann man diesen Akt vielleicht eine kleine Explosion nennen. Fühlt sich der Trainierende daraufhin noch nicht frisch, wird der Vorgang wiederholt. Am Abend vor dem Schlafengehen, wo ja meist die dritte Übung stattfindet, wird nicht zurückgenommen. Man dreht sich einfach zur Seite und geht schlafen.

Quelle: www.wikipedia.de